Mittwoch, 13. August 2014

Das ist der Punkt...

Tag: 141 (Dienstag 12.08.14)
Mi: 1928.4
Vorgestern sind wir durch die "Mahoosuc Notch" geklettert. Laut unserer Wegbeschreibung die "most difficult or fun mile". Riesengroße Felsen über die man rüber klettern muss oder kleine Tunnels durch die du durch kriechst... Rucksack voran schieben oder hinter dir her ziehen.  Ich fands nicht ganz so witzig. Meine Schrammen am Bauch haben ganz schön gebrannt... aber das ist nicht der Punkt.
In der Notch habe ich meinen einen Treckinstock zum zweiten mal abgeknickt. Keine Chance den noch mal zu reparieren. Ich finde einen umgeknickten Baum mit einem Ast, der sich hervorragend als Ersatztreckingstock nutzen lässt.
Mein superscharfes Messer rausgeholt... und ihr könnt es euch denken... mein Papa hat es mir 1 Millionen mal gesagt... immer vom Körper weg schnitzen... und in dieser 1/10 Sekunde wo das Messer abrutscht und bevor es in die Haut deiner linken Hand oben am Zeigefinger einschneidet, da habe ich genau an meinen Papa gedacht!
Aber auch das ist nicht der Punkt...
Es hat sehr stark geblutet. Erste Hilfeset aus dem Rucksack,  Pressverband mit Tape (danke noch mal an Henning ;-) und einer sterilen Kompresse. Ich musste noch 2 Meilen den Berg hoch bis zum Shelter. Es fängst an zu regnen und zu donnern... und meine linke Wade krampft. Was für ein Tag...
Am Shelter angekommen fängt das Gewitter so richtig an. Keine Chance weiter bis zum nächsten Ort zu kommen. Also Luftmatratze aufgepumpt,  Schlafsack raus, Wunde noch mal desinfiziert und Sprühpflaster drauf (Danke an Beat ... ein junger Mann aus Deutschland, der zwischen Bachelor und Master 6 Wochen in NH und Maine wandert), 2 IBU und schlafen.
Auch das ist nicht der Punkt...
Die Nacht war soweit OK. Bis zum Parkplatz sind es 4 Meilen. Auf diesem Weg entscheide ich mich einen Doktor aufzusuchen. Die Entscheidung fällt leichter als die Jungs hier die Geschichte von der Frau vor 2 Jahren erzählen, die am Unterschenkel eine Wunde hatte die sich infiziert hat... sie aber nicht zum Doc sondern nach Kathadin gegangen ist. Danach hat man ihr den Unterschenkel amputieren müssen :-(
Unten am Parkplatz, irgendwo in Maine,  keine Ahnung wo ein Arzt oder eine Klinik zu finden ist... da kommen wir schon näher an den Punkt.
Ein Van fährt auf den Parkplatz.  Ich erkenne den älteren Herren von vor 3 Tagen wieder. Er supportet einen Hiker (Coldplay). Hat ihn in Georgia getroffen und ihm angeboten hier in NH und Maine zu helfen. Er erkennt mich auch und im Gespräch bietet er mir an mich in die nächste Stadt zu fahren. Bethel,ME. Dauert eine halbe Stunde. Er fragt in der Apotheke wo denn ein Arzt zu finden ist. In Bethel ist ein Ärztezentrum... was ein Glück.  Er fährt mich dorthin und will warten was mit mir passiert. Ich bedanke mich tausendmal und verabschiede mich, denn ich muss ca. 1h warten.
Die Ärztin erklärt mir, das man die Wunde zwischen 4 und 6h nach dem Unfall hätte nähen können...  leider zu spät. Wird also eine größere Narbe bleiben. OK... brauche ich kein AT Tattoo... habe mir ja selber eines in die Hand geschnitzt (nennt man das Galgenhumor ? ;-)
Es gibt also eine Reinigung der Wunde, desinfizieren und ein Rezept für Antibiotika wenn sich die Wunde entzünden sollte. Ist ganz interessant... man bekommt das Rezept nicht in die Hand, es wird zu einer Apotheke deines Vertrauens gesendet und dort kannst du es dann abholen.
Und jetzt kommt der Punkt...
Ich zahle also 110$ für die Behandlung vorne an der Rezeption. Frage wie man zu Fuß zu der Apotheke gelangt. Das hört ein Typ der auch beim Arzt war. Dough...
"Du bist ein Thruhiker? Kann ich dich fahren?" Unglaublich wie freundlich die Amerikaner sind. Er will auch hiken und hat ein paar Fragen. Wir kommen ins Gespräch. Bei der Apotheke dauert es eine halbe Stunde bis man mir die Pillen geben kann. Ich bedanke mich bei Dough doch er sagt "Hey wo musst du danach hin". "Nach Andover ,ME". "OK. Kein Problem für mich. Ich fahre dich rüber". Die Fahrt dauert eine knappe Stunde. Ich lade ihn zu Dounat und Kaffee ein. Wir unterhalten uns über das Hiken und Gott und die Welt. Wir kommen an... er schreibt sich meinen Blognamen auf ein Stück Holz von seinen Truck. Ich bedanke mich tausendmal. Er fährt zurück ich bin glücklich... was für ein Tag!
Dough... er ist der Punkt. Ein Mensch der mich nicht kennt opfert spontan 2h seiner Zeit und Sprit um mich durch die Gegend zu fahren.
Wer in Deutschland würde das machen?

7 Kommentare:

  1. Tja, dürfte schwierig werden in Deutschland Leute zu finden, die so hilfsbereit sind. Also meine Meinung über vermeintlich oberflächliche Amerikaner gerät zunehmend in Wanken wenn ich das hier so lese.

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  2. Hallo Bernd, ich verfolge deinen Blog jetzt schon seit der Planung und erfreue mich immer an deinen Posts. Halte durch und gute Besserung!
    Ich selbst plane den AT in 2016 zu wandern.
    Während der WM habe ich Teile des europäischen Fernwanderwegs E1 in Schleswig-Holstein absolviert und in Mölln eine ganz ähnliche Geschichte erlebt.
    Ich hatte ein Spiel in einer Kneipe geschaut und wollte danach weiter zum nächsten Campingplatz. Durch Verlängerung und Elfmeterschießen wurde es dann relativ spät und als ich weiter bin wurde es langsam dunkel und fing an zu regnen. Noch in der Stadt habe ich meine Karte gezückt und habe versucht zu ermitteln, wie lange es wohl noch dauern würde, oder ob wildes Camping im Wald eine Alternative wäre.
    Da kommt aus dem Haus auf der gegenüberliegenden Straße der Bewohner und fragt, ob er mir weiterhelfen könnte. Er hat mich im Regen mit der Karte stehen sehen. Ich habe dankend abgelehnt und erklärt, dass ich zum Campingplatz gehen möchte und gefragt ob er die Zeit bis dahin abschätzen kann.
    Da es noch deutlich über eine Stunde Marsch bedeutet hätte, hat er ungefragt angeboten mich in seinem Auto dahin zu fahren, was ich gerne angenommen habe.

    Zugegeben, gebürtig war er Niederländer und 2 Stunden hat es ihn auch nicht gekostet. Aber auch ich wurde mehr als dieses eine mal überrascht, wie positiv und hilfsbereit die Menschen auf Wanderer reagieren - auch in Deutschland.

    Trotzdem ein sicheres Zeichen, dass es hier Optimierungsbedarf gibt, wenn uns diese tollen Einzelfälle so prägend in Erinnerung bleiben.

    Ich wünsche dir einen erfolgreichen Endspurt und hoffe auf weitere spannende Berichte.

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  4. A scary situation, now did you are so close to finishing. Are you OK?
    Did you reach 2000 miles?
    See you soon! CG

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  5. Hallo Bernd, ich muss sagen, was du da machst und wie du schreibst ist sagenhaft! Ich freue mich immer deine Blogs zu lesen...von einer anderen Welt. Ich musste ganz am Anfang schmunzeln, als du in einem Ort namens "Helen" warst. The name of your "old" English teacher! Keep well, take care, enjoy and keep smiling :-) See you. Helen in Münster

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    1. Hi Helen,
      schön das es dir gefällt. Der Ort war unglaublich... und das letzte mal das ich deutsches Essen bekommen habe ;-)

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  6. Hallo Bernd hoffen es geht dir gut und du näherst dich der 2000 er Marke lg die Swonkies

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